Texte



Das zusammengesetzt Lebendige
Skulpturen von Klaus Effern

In seinen Holzfiguren arbeitet Klaus Effern gleichzeitig mit und gegen das Material. Die dadurch erzeugte Spannung dürfte der wichtigste Grund für ihre eigentümlich lebendige Wirkung sein. Für seine in Holz arbeitenden Kollegen hat das Material die Konnotationen Block oder Stamm: für Effern dagegen Montage. Seine Figuren entstehen aus rohen und vom Künstler bereits geschnitzten Hölzern, die jeweils in einem unterschiedlichen Zustand zusammengefügt und dann weiter bearbeitet werden. Die weiße Lasur, die den Arbeitsprozess abschließt, täuscht eine Einheitlichkeit vor, aber die einzelnen Teile scheinen plastisch immer noch durch. Die Wirkung des Materials wird wortwörtlich durch die weiße Lasur unterdrückt, während das innere Wirken, Reißen und Trocknen, freie Hand bekommt. Diese Figuren stehen unter Spannung.

Versuche, im 20. Jahrhundert eine zeitgenössische Holzbildhauerei zu schaffen, scheiterten oft am Material und seiner archaischen Bedeutung. Direkte Arbeit in Holz sieht fast immer nach Afrika oder Mittelalter aus. Diese Bedeutungebene kann aber aufgebrochen werden, und das ist genau die Strategie Efferns, indem er vordergründig montiert und nicht schnitzt. Er hat seine Werke somit ganz einfach aus den großen Fantasien vom ursprünglichen, natürlichen (oder primitiven) Material herausgelöst und kann umgekehrt all diese Assoziationen zerstückelt und gezielt einsetzen. In seinen Skulpturen verbirgt sich kein Baum mehr; in einem einzelnen Arm wohl noch ein Ast.

Diese Figuren sind weder Block noch Gefäß. Ihre unterschiedlichen Teile bewegen sich aus ihrer jeweiligen inneren Struktur heraus in unterschiedliche Richtungen und dadurch entsteht eine visuelle Unruhe und eine eigentümliche, manchmal gehemmte, manchmal ekstatische Dreidimensionalität. Dieser raumgreifende Aspekt, die visuelle Bewegung in den Raum hinein, kommt nie von der ganzen Figur, sondern von einzelnen Elementen. Die unerwartete, sporadische Räumlichkeit, die mindestens so viel mit Zucken wie mit fließenden, natürlichen Bewegungen zu tun hat, verortet die Skulpturen zwischen Künstlichkeit und Natur.

Aus Efferns Methode folgt, dass seine Arbeiten keinen inneren Kern haben: Es ist unmöglich, einen Anfang oder eine konzeptuelle Idee zu finden. Während seine Kollegen meistens von einem Stück Holz oder Stein ausgehen, ist seine Bildhauerei im positiven Sinne Stückwerk: Das hat enorme Folgen für ihre visuelle Kraft – und für den Inhalt: Sie stellen Menschen dar. Diesen Figuren fehlt aber das Pathos einer inneren Einheit. Alle vorstellbaren Konzepte einer einheitlichen menschlichen Existenz prallen an diesen Formen ab, aber dennoch stellt Effern die jeweiligen Menschen als Individuen dar. Das unterscheidet diese Skulpturen auch von den im weißen Hemd und schwarzer Hose uniformierten Männern, die im späten zwanzigsten Jahrhundert als der Inbegriff einer zeitgenössischen Holzskulptur galten. Bei Effern gibt es keine Formel für den Menschen, sondern Einzelteile, aus denen sich jeweils das Bild eines individuellen Menschen ergibt.

Arie Hartog



Living Montages
The Sculptures of Klaus Effern

Klaus Effern works both with and against the material in his wood figures. The resulting tension is the primary reason for why his sculptures leave a somewhat singular living impression. Unlike other wood sculptors who think in terms of blocks or trunks, Effern associates wood with the technique of montage. To create his figures, he begins with unfinished sections of wood which are carved and assembled in their different working states before being further processed. The white varnish, applied as a final touch, creates a false impression of uniformity because the individual parts remain structurally very prominent. While the white varnish literally subdues the wood’s effect, it also enhances its inner structure, cracks and traces of drying. Dynamic tension is therefore a prominent feature of these figures.

Attempts to create contemporary wood sculpture in the 20
th century were often unsuccessful because of the material and its archaic associations. Artworks made directly out of wood virtually always appear to be from Africa or the Middle Ages. It is Effern’s intention to break this chain of reference, however, and he does so by mainly assembling wood pieces instead of simply carving them. In this way, he liberates his works from any grandiose ideas of an original and natural (or primitive) material while also playing with these associations at the same time. Although there are no trees concealed within his sculptures, a branch might still lend its form to a human arm.

The figures are neither blocks nor wood vessels. Their different parts move outward, away from their inner structures in different directions, generating a visual restlessness and an unusual three-dimensionality that is sometimes inhibited, sometimes ecstatic. This spatial aspect, this visual outward movement does not originate from the figure as a whole, but from its individual elements. This rather unexpected and sporadic three-dimensionality can signify a twitch as much as a flowing, natural movement, thereby letting each sculpture stand somewhere between artificiality and nature.

Effern’s methodology does not allow his works to have an inner core, and it is impossible to find a beginning or a conceptual idea within them. Unlike other sculptors’ works which might begin with a piece of wood or stone, Effern’s sculptures are, in a positive sense, put together. This drastically enhances their visual power and signification as portraits of human beings. As such, however, these figures lack the pathos of an inner unity. Although they may be impervious to any ideas of a unified human existence, Effern has created them to portray unique human individuals. This sets these sculptures apart from those of men wearing white shirts and black trousers which were the epitome of contemporary wood sculpture in the late 20
th century. In Effern’s art, there is no formula for human beings, only parts which may be assembled to create images of individual human beings.

Arie Hartog
















Texte



Das zusammengesetzt Lebendige
Skulpturen von Klaus Effern

In seinen Holzfiguren arbeitet Klaus Effern gleichzeitig mit und gegen das Material. Die dadurch erzeugte Spannung dürfte der wichtigste Grund für ihre eigentümlich lebendige Wirkung sein. Für seine in Holz arbeitenden Kollegen hat das Material die Konnotationen Block oder Stamm: für Effern dagegen Montage. Seine Figuren entstehen aus rohen und vom Künstler bereits geschnitzten Hölzern, die jeweils in einem unterschiedlichen Zustand zusammengefügt und dann weiter bearbeitet werden. Die weiße Lasur, die den Arbeitsprozess abschließt, täuscht eine Einheitlichkeit vor, aber die einzelnen Teile scheinen plastisch immer noch durch. Die Wirkung des Materials wird wortwörtlich durch die weiße Lasur unterdrückt, während das innere Wirken, Reißen und Trocknen, freie Hand bekommt. Diese Figuren stehen unter Spannung.

Versuche, im 20. Jahrhundert eine zeitgenössische Holzbildhauerei zu schaffen, scheiterten oft am Material und seiner archaischen Bedeutung. Direkte Arbeit in Holz sieht fast immer nach Afrika oder Mittelalter aus. Diese Bedeutungebene kann aber aufgebrochen werden, und das ist genau die Strategie Efferns, indem er vordergründig montiert und nicht schnitzt. Er hat seine Werke somit ganz einfach aus den großen Fantasien vom ursprünglichen, natürlichen (oder primitiven) Material herausgelöst und kann umgekehrt all diese Assoziationen zerstückelt und gezielt einsetzen. In seinen Skulpturen verbirgt sich kein Baum mehr; in einem einzelnen Arm wohl noch ein Ast.

Diese Figuren sind weder Block noch Gefäß. Ihre unterschiedlichen Teile bewegen sich aus ihrer jeweiligen inneren Struktur heraus in unterschiedliche Richtungen und dadurch entsteht eine visuelle Unruhe und eine eigentümliche, manchmal gehemmte, manchmal ekstatische Dreidimensionalität. Dieser raumgreifende Aspekt, die visuelle Bewegung in den Raum hinein, kommt nie von der ganzen Figur, sondern von einzelnen Elementen. Die unerwartete, sporadische Räumlichkeit, die mindestens so viel mit Zucken wie mit fließenden, natürlichen Bewegungen zu tun hat, verortet die Skulpturen zwischen Künstlichkeit und Natur.

Aus Efferns Methode folgt, dass seine Arbeiten keinen inneren Kern haben: Es ist unmöglich, einen Anfang oder eine konzeptuelle Idee zu finden. Während seine Kollegen meistens von einem Stück Holz oder Stein ausgehen, ist seine Bildhauerei im positiven Sinne Stückwerk: Das hat enorme Folgen für ihre visuelle Kraft – und für den Inhalt: Sie stellen Menschen dar. Diesen Figuren fehlt aber das Pathos einer inneren Einheit. Alle vorstellbaren Konzepte einer einheitlichen menschlichen Existenz prallen an diesen Formen ab, aber dennoch stellt Effern die jeweiligen Menschen als Individuen dar. Das unterscheidet diese Skulpturen auch von den im weißen Hemd und schwarzer Hose uniformierten Männern, die im späten zwanzigsten Jahrhundert als der Inbegriff einer zeitgenössischen Holzskulptur galten. Bei Effern gibt es keine Formel für den Menschen, sondern Einzelteile, aus denen sich jeweils das Bild eines individuellen Menschen ergibt.

Arie Hartog



Living Montages
The Sculptures of Klaus Effern

Klaus Effern works both with and against the material in his wood figures. The resulting tension is the primary reason for why his sculptures leave a somewhat singular living impression. Unlike other wood sculptors who think in terms of blocks or trunks, Effern associates wood with the technique of montage. To create his figures, he begins with unfinished sections of wood which are carved and assembled in their different working states before being further processed. The white varnish, applied as a final touch, creates a false impression of uniformity because the individual parts remain structurally very prominent. While the white varnish literally subdues the wood’s effect, it also enhances its inner structure, cracks and traces of drying. Dynamic tension is therefore a prominent feature of these figures.

Attempts to create contemporary wood sculpture in the 20
th century were often unsuccessful because of the material and its archaic associations. Artworks made directly out of wood virtually always appear to be from Africa or the Middle Ages. It is Effern’s intention to break this chain of reference, however, and he does so by mainly assembling wood pieces instead of simply carving them. In this way, he liberates his works from any grandiose ideas of an original and natural (or primitive) material while also playing with these associations at the same time. Although there are no trees concealed within his sculptures, a branch might still lend its form to a human arm.

The figures are neither blocks nor wood vessels. Their different parts move outward, away from their inner structures in different directions, generating a visual restlessness and an unusual three-dimensionality that is sometimes inhibited, sometimes ecstatic. This spatial aspect, this visual outward movement does not originate from the figure as a whole, but from its individual elements. This rather unexpected and sporadic three-dimensionality can signify a twitch as much as a flowing, natural movement, thereby letting each sculpture stand somewhere between artificiality and nature.

Effern’s methodology does not allow his works to have an inner core, and it is impossible to find a beginning or a conceptual idea within them. Unlike other sculptors’ works which might begin with a piece of wood or stone, Effern’s sculptures are, in a positive sense, put together. This drastically enhances their visual power and signification as portraits of human beings. As such, however, these figures lack the pathos of an inner unity. Although they may be impervious to any ideas of a unified human existence, Effern has created them to portray unique human individuals. This sets these sculptures apart from those of men wearing white shirts and black trousers which were the epitome of contemporary wood sculpture in the late 20
th century. In Effern’s art, there is no formula for human beings, only parts which may be assembled to create images of individual human beings.

Arie Hartog